"An Realität vorbeisimuliert"
Bürgerinitiative Aktion Z verlangt reale Tests für Castorenbehälter - Forderungen an Bundesamt für Strahlenschutz formuliert
Rodenkirchen. Die Stadlander Bürgerinitiative Aktion Z stellt die Sicherheitsphilosophie für Castor-Behälter erneut in Frage. Computer-Simulationen als Nachweis für Genehmigungen hält sie für unzuverlässig und wird deshalb in einem Schreiben an das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unter anderem fordern, dass die Behälter realen Untersuchungen unterzogen werden: Mit Falltests, im Feuer und im Wasser.
Das betonten jetzt der Sprecher der Aktion Z, Jürgen Janssen, sowie die Aktivistin Helga Rinsky. Anlass der Forderung: Das ARD-Fernsehmagazin "Plusminus" hatten Physiker, Mathematiker und Bauingenieure Originalunterlagen vom Castor HAW 20/28 CG des Herstellers und der Gorlebener Zwischenlager-Betreiberin nachrechnen lassen. Dabei stellten sie gravierende Fehler fest. Die Sicherheit des Behälters sei für einen Störfall im Zwischenlager falsch berechnet worden. Bisher hieß es, dass bei einem Fall aus drei Metern Höhe auf den Hallenboden eines Zwischenlagers der Castor den Beton kaputt schlage und von einer Sandschicht darunter abgebremst werde, wobei der Behälter selbst nicht beschädigt werde. Einer der nachgerechnet hat, ist Friedhelm Timpert von der Hamburger STM Safety Technology Management GmbH, der in einem Arbeitskreis der Internationalen Atomenergiebehörde mitarbeitet und schon beim Anhörungstermin der Aktion Z im Mai fehlerhafte Berechnungen angeprangert hatte. Timperts Korrektur sehe aus wie die versiebte Klassenarbeit eines schlechten Schülers, hieß es in der Fernsehsendung, in der andere Experten diese Behauptung bestätigten. Und nach Berechnung des Fachbereichs Mathematik der Universität würde der Castor bis zu 20 Mal stärker belastet als bisher angegeben. Der Behälter bekäme Risse, Radioaktivität träte aus und nicht nur die Lagerhalle, sondern auch die Umgebung würde im Ernstfall verstrahlt werden.
Helga Rinsky von der Aktion Z gibt zu: Der Castor HAW 20/28 CG werde in dem für Kleinensiel geplanten Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente nicht eingelagert, sondern vielmehr das Modell V/19. Auch der Transport von abgebrannten Brennelementen zur Wiederaufarbeitungsanlage nach Sellafield erfolge in anderen Castoren, so Jürgen Janssen, aber: "Die Aktion Z schließt nicht aus, dass auch für den Castor V/19 fehlerhafte Berechnungen vorliegen, wir müssen sogar davon ausgehen." Helga Rinsky wirft der Atomindustrie vor, "an der Realität vorbeisimuliert zu haben". Sie bemerkt: "Seit 20 Jahren hat es keine realen Tests mehr gegeben. Das ist ein Hammer!"
In Gorleben sei ein Absturz des Castorbehälters aus drei Metern Höhe simuliert und berechnet worden. In den Antragsunterlagen der Kraftwerksbetreiberin-Betreiberin e.on stehe zwar drin, es sei nachgewiesen, dass alle im Zwischenlager einzulagernden Behälter einen Absturz aus 25 Zentimeter Höhe ohne Verlust an Dichtheit und Integrität überstehen würden, aber es gebe eine Ausnahme, so Helga Rinsky. Bei der Be- und Entladung des Transportfahrzeugs betrage die mögliche Absturzhöhe ebenfalls rund drei Meter zum Betonboden. Das gehe aus den Antragsunterlagen für das Kleinensieler Zwischenlager hervor.
Die Aktion Z wird nach Angaben von Jürgen Janssen jetzt vom Bundesamt für Strahlenschutz fordern, einen Transportstopp für alle Castorbehälter anzuordnen. Für alle Castor-Behälter müssten die Berechnungen überprüft werden und vor allem auch veröffentlicht werden, "denn die werden bis jetzt geheim gehalten". Statt Computersimulationen müsse es zudem praktische Tests für den für Kleinensiel geplanten Castor V/19 geben. Bis zur Klärung müsse es einen Einlagerungsstopp für Gorleben und Ahaus geben.
"Eigentlich sollte man erwarten, dass die Atomindustrie das, was sie macht, zumindest ordentlich macht", so Helga Rinsky. Da das aber offensichtlich nicht der Fall sei, müsse nun der "Elchtest für Atomindustrie" her.  ums

Kreiszeitung Wesermarsch, 03. August 2002
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