Täglicher Blick auf den Atomreaktor als politischer Antrieb
Jürgen Janssen (Grüne) kommt aus der Friedensbewegung
Von Ingo Hartel

Delmenhorst/Rodenkirchen. Hier leben, lieben und streiten Jürgen, Elke und Swantje Janssen: Betulich alternativ bis hin zum Klingelschild. Der Direktkandidat der Grünen für den Wahlkreis 29, Jürgen Janssen, spiegelt offensichtlich das alternative Lebensgefühl wider. Auch wenn es inzwischen ein bisschen in die Jahre gekomrnen ist. Er ja auch.

Der 50-Jährige, der nach eigenen Angaben "schon immer" in Bürgerinitiativen mitgearbeitet hat, weiß um seine politischen Wurzeln, die sein Engagement bis heute speisen. Er kommt aus der Friedens- und der Anti-Atomkraftbewegung. Kein Wunder, mag man denken. Schließlich liegt sein Haus in Rodenkirchen direkt am Deich, und von der Kuppe des Deiches fällt der Blick direkt auf das Kernkraftwerk Unterweser (KKU), besser bekannt als Atomkraftwerk Esensham. Der Hauptschullehrer Janssen erzählt, dass er in den 80er Jahren zur Anti-Akw-Bewegung gestoßen ist. Der jetzt von der rotgrünen Bundesregierung ausgehandelte Atomausstieg geht ihm persönlich nicht schnell genug. Pragmatisch räumt er jedoch ein, dass aus finanziellen Gründen kaum mehr zu erreichen gewesen sei. Aber, so Janssen, hinter den formulierten Ausstieg dürfe im Fall eines rotgrünen Wahlerfolgs  die Politik keinesfalls zurückfallen. Der Atomausstieg und die Realisierung einer Energiewende seien für ihn die Grundlagen grüner Politik. Was ihn aber nicht daran hindere, gemeinsam mit Mitarbeitem des AKW-Esensham zu feiern. Schließlich lebe er in einer Kleinstadtgemeinschaft. "Es wäre falsch, so eine Frage auf das ganze Leben zu übertragen", gibt sich Janssen glaubhaft undogmatisch.
 Ein wichtiges Anliegen sei ihm ferner die Friedenspolitik, sagte Jürgen Janssen zur zweiten Säule seines politischen Fundaments. Entsprechend schwer falle es ihm, mit den Anforderungen der Regierungsteilhabe umzugehen, räumt der ehemalige Friedensaktivist ein. Wichtig sei es, die UNO zu stärken und, wie der grüne Außenminister Fischer gefordert habe, zu einer europäischen Stimme zu finden. Die grünen Positionen in Serbien und Afghanistan  könne er zwar mittragen. Aber die Diskussion würde eine andere sein, wenn die Grünen nicht in der Regierungsverantwortung wären, stimmt er unumwunden zu.
Ob er selbst nach der Wahl in den Bundestag einzieht und damit Teil der Regierung wird, beurteilt Janssen ausgesprochen skeptisch. Wenn es ihm nicht gelinge, den Wahlkreis direkt zu gewinnen, merkt er selbstironisch an, dürfte es schwierig werden. Denn das Gemeinde- und Kreistagsmitglied Janssen kandidiert auf dem wenig aussichtsreichen Listenplatz 24. "Mein Umzug nach Berlin ist so wahrscheinlich wie ein Lottogewinn", meint er recht locker. Ob er sich über den Fall der Fälle denn auch so freuen würde wie über einen Lottogewinn, lässt er offen. "Ich hätte schon Probleme damit, mich als Berufspolitiker zu sehen", sagt der Pädagoge ohne jeden kokettierenden Unterton. Allein seine 17-jährige Tochter Swantje würde es bedauern, wenn es nichts mit Berlin wird. Denn die freue sich schon auf die Zweitwohnung in der Hauptstadt, flachst Janssen.
Dass er dennoch die Ochsentour eines nicht sehr vielversprechenden aber arbeitsintensiven Wahlkampf auf sich nimmt, begründet Jürgen Janssen wie folgt: "Mir geht es um die Politik, darum dass Rotgrün eine Zukunft hat. Und weil Politik mit Gesichtern verknüpft ist, habe ich mich für den Wahlkreis zur Verfügung gestellt." Auch, weil es sonst keine Kandidatin oder Kandidaten gegeben habe.
Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten und Janssen in den Bundestag einziehen, will der "pädagogische Kämpfer", Janssen über Janssen, neben Atomausstieg und Energiewende die Bildungspolitik ins Zentrum seiner Arbeit stellen. Die Bildung stelle die Zukunftsaufgabe der Gesellschaft dar. Janssen skizziert seine Ideen zum Thema: Mehr Geld für Primarstufen, bessere Verzahnung von Kindergärten und Grundschulen, Sozialpädagogen und ärztliche Betreuung an den Schulen. Als Vorbild nennt er das schwedische Schulsystem. Das alles kostet viel Geld, räumt der Hauptschullehrer ein. Aber die Gesellschaft müsse eben formulieren, welchen Wert sie Bildung bemisst. Der sei zurzeit eher knapp bemessen, weiß der Hauptschullehrer.


Delmenhorster Kreisblatt, 04. September 2002
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