Von
unserer Mitarbeiterin
Kerstin
Spanke
Delmenhorst.
"Die haben viel zu viel drumrumgeredet", beschied Nura Ziegler ein wenig
enttäuscht. Mit ihrer Meinung stand die 18-Jährige nicht allein,
fast alle ihre Mitschüler im Politik-Leistungskurs der Integrierten
Gesamtschule (IGS) hatten sich von den Bundestagskandidaten „klarere Statements“
erhofft.
Die
gab es jedoch auch beim zweiten, öffentlichen Delmenhorster Schlagabtausch
der Kandidaten von SPD, CDU, Grünen, FDP und PDS im Saal der Volkshochschule
nur begrenzt. „Woraus schöpfen Sie das Vertrauen auf die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit ihrer Partei?“ eröffnete die Moderatorin und
Direktorin des Max-Planck-Gymnasiums, Cordula Fitsch-Saucke, mit einer
Frage an SPD-Mann Holger Ortel die Runde. Damit war man beim ersten Thema
des Abends, der Arbeitsmarktpolitik.
Ortel
wies auf die Ausgangssituation hin, von der aus seine Partei mit den Grünen
vor vier Jahren gestartet war: „Wir haben von der Regierung Kohl die höchste
Arbeitslosenquote, den höchsten Steuersatz und die höchste Staatsquote
übernommen.“ Dennoch habe man viele Erfolge erzielt. Auch sein „Koalitionspartner“
von den Grünen, Jürgen Janssen, bewertete die Leistungen
der rot-grünen Regierung positiv: „Wir haben mit der Steuerreform
für erhebliche Entlastung der Bürger gesorgt.“
Diese
Reform geht der FPD-Kandidatin Angelika Brunkhorst jedoch nicht weit genug.
Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPD werde sie mit ihrer Partei
für „eine ganz mutige Steuerreform“ kämpfen, die „ein richtiger
Kracher“ sein soll. „3 x 40“ lautet die Zauberformel für die CDU-Frau
Vera Dominke. Durch eine Senkung des Spitzensteuersatzes, der Sozialabgaben
und der Staatsquote auf unter 40 Prozent könne die Wirtschaft wieder
in Gang gebracht werden. PDS-Mann Peter Vogel, der mit „sozialistischer
Grundüberzeugung an Themen heran geht“, will dagegen die „öffentlichen
Investitionen“ ausdehnen.
Rund
eine Stunde beantworteten die Kandidaten die arbeitspolitischen Fragen
der Moderatorin, die sich zwar um eine gute Vorbereitung bemüht hatte,
aber gelegentlich in eine Tonfall verfiel, der zwar in der Schule Kinder
zur Räson bringt, in dieser Runde aber verfehlt war. Auch erwiesen
sich einige ihrer beim Statistischen Bundesamt recherchierten Fakten als
eher unwahrscheinlich oder zumindest von ihr ungeschickt präsentiert.
Diese
eine Stunde hatte einer zehnten Klasse, der Hauptschule Süd, die sich
gerade im Unterricht mit der Bundestagswahl beschäftigt, bereits genügt.
Die Schüler verließen den Saal, bevor das nächste Thema,
Gesundheitspolitik, in den Raum geworfen wurde. „Ich hab vieles gar nicht
verstanden, was die da gesagt haben“, beschwert sich die 16-jährige
Eugenia. „Das klingt alles so kompliziert“, pflichtet ihr die 15-jährige
Inga bei. „Wieso können die nicht einfach sagen, was sie meinen!?“
Beide sind „irgendwie froh“, dass sie sich jetzt noch nicht entscheiden
müssen, wer ihre Stimme bekommen soll.
Auch
in der zweiten Halbzeit ging die Runde über einen politischen Schlagabtausch
nicht hinaus. Einzig die Kandidatinnen der CDU und FPD gerieten mit ihren
Vorstellungen einer neuen Gesundheitspolitik ins Visier der Zuhörer.
Um
Punkt 22 Uhr schloss Fitsch-Saucke die Runde. Die rund 12 Politik-LK-Schüler
der IGS und ihre Lehrer Thomas Eden blieben mit ihren Fragen zur Bildungs-
und Schulpolitik allein zurück. „Wir hatten da so tolle Fragen ausgearbeitet“,
erzählt Nura. „Die hätten echt mehr auf Themen eingehen sollen,
die uns Erstwähler am meisten berühren“, findet auch Timm. So
fühlt sich Daniel zwar in seiner Meinung bestätigt, welche Partei
am 22. September zu wählen ist, aber ein wenig enttäuscht ist
er über „das viele Rumgerede“ schon. „Auf die Fragen haben die zum
Teil gar nicht geantwortet, sondern was völlig anderes erzählt.“
In seiner Wahlentscheidung bestätigt sieht sich auch der 18-jährige
Timm, wie viele ihrer Mitschüler, ist Nura dagegen noch unsicher.
Sie will sich noch überlegen, wer ihre Stimme bekommt.
Delmenhorster
Kurier, 05. September 2002
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