Die
Katastrophe lauert nicht nur im Atomkraftwerk selbst. Auch das Zwischenlager,
das die AKW-Betreiberin Eon bis 2005 am AKW Unterweser (Esenshamm) errichten
will, könnte bei einem Terrorangiff aus der Luft große Mengen
Radioaktivität freisetzen. Hält die Betonhalle, in der bis zu
80 Castor-Behälter mit abgebrannten Brennelementen für mehrere
Jahrzehnte lagern sollen, einem gezielt herbeigeführten Absturz eines
Verkehrsflugzeuges stand? "Wir befürchten nein", sagt Jürgen
Janssen, Sprecher der Bürgerinitiative "Aktion Z": "Dann wäre
unter Umständen die ganze Gegend radioaktiv verseucht." Aufschluss
soll nächsten Donnerstag ein von der Bürgerinitiative organisierter
"Erörterungstermin" bringen.
Beim
offiziellen Erörterungstermin für das geplante Zwischenlager,
der im Juni letzten Jahres stattfand, waren Jumbo-Abstürze noch kein
Thema. "Damals ist man eher von dem Risikofall ,schnell fliegende Militärmaschinen'
ausgegangen", sagt Volker Schäfer, Sprecher des Bundesamts für
Strahlenschutz (BfS), das die Anträge für die Zwischenlager bearbeitet.
Der 11. September habe gezeigt, dass man auch andere Risikofälle berücksichtigen
müsse. Ein auf die Castor-Halle gelenkter und mit 200.000 Liter Kerosin
betankter Jumbo entfache schließlich eine ganz andere "Sprengkraft"
als ein abstürzender Tornado-Flieger. Neben der viel größeren
Aufprallwucht seien auch etwa langanhaltende und sehr heiße Brände
zu befürchten.
Eigentlich
müsste Eon nun nachweisen, dass die hoch radioaktiven Abfälle,
die sie in der geplanten Castor-Halle lagern wollen, auch bei einem Terroranschlag
aus der Luft nicht in die Umwelt gelangen. "Die Ingenieure der Antragsteller
sollen sich jetzt einmal Gedanken machen", fordert Schäfer.
Davon
ist Eon weit entfernt. Zwar stehe man mit dem BfS permanent im Dialog,
erklärt Sprecherin Petra Uhlmann: "Es ist aber nicht unsere Aufgabe,
die Auswirkungen von Terroranschlägen aus der Luft zu prüfen."
Vielmehr müsse die Genehmigungsbehörde - sprich: das BfS - Gutachten
zu den möglichen Szenarien anfertigen. Erst wenn diese Expertisen
vorlägen, könne das Unternehmen Stellung beziehen und gegebenenfalls
Daten nachreichen.
Schäfer
sieht das anders. "Die Antragsteller sind gehalten, Sicherheitsrisiken
auszuschließen", betont er. Das gelte auch für "neue" Szenarien
wie Angriffe mit vollgetankten Jumbos, die seit dem 11. September nicht
mehr auszuschließen seien. Darauf habe seine Behörde Eon bereits
mehrfach hingewiesen. Die aber mauert. Schäfer: "Das läuft nicht
ganz widerspruchslos."
Mit
ihrem selbstorganisierten "Erörterungstermin" will die Bürgerinitiative
"Aktion Z" jetzt frischen Wind in die Sicherheits-Diskussion um das geplante
Zwischenlager bringen. "Die Bevölkerung hat einen Anspruch auf umfassende
Information und Aufklärung über mögliche Gefahren", begründet
Janssen die Veranstaltung. Im Gegensatz zum BfS und namhaften Atom-Experten
- unter anderem die Physiker Wolfgang Neumann und Helmut Hirsch - hat Eon
die Einladung zum Hearing allerdings ausgeschlagen. Eine Teilnahme sei
für das Unternehmen "nicht zielführend", erklärt Sprecherin
Uhlmann: "Wir haben den Dialog vor Ort lange genug geführt."
Sollte
das BfS - auf dem Hearing oder später - zu der Ansicht gelangen, dass
ein Jumbo-Angriff ein "ganz neues Szenario" darstellt, dann wäre auch
Eon gezwungen, sich damit in aller Öffentlichkeit auseinanderzusetzen
- auf einem zweiten, ganz offiziellen Erörterungstermin. Völlig
ausschließen will Schäfer das nicht. hoi
TAZ Bremen,
16. Mai 2002
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