Bierdeckel-Politik oder: Den Letzten beißen die Hunde
Kreistag verabschiedet mit Stimmen der SPD und FDP einen hoch defizitären Haushalt  Hilfe für die Kommunen gefordert
Es war ein großes Lamentieren gestern Abend im Kreistag. Und es bestand zwischen den Fraktionen Einigkeit darüber, dass es so nicht weiter geht. Die Kommunen bräuchten eine Finanzreform, forderten Redner aller Fraktionen.
Harald Schöne, Fraktionsvorsitzender der Liberalen, hat sich den Spaß gemacht, die Anträge der Parteien zum Kreishaushalt zusammenzuschreiben. Er sei mit einem Bierdeckel ausgekommen, sagte er gestern Abend. Kein Wunder. Der Landkreis erwartet in diesem Jahr ein Defizit von fünf Millionen Euro. Hinzu kommen Altlasten in Höhe von 40 Millionen Euro. Da bleibt nicht viel Gestaltungsspielraum für die Wünsche der politischen Parteien.
Der Kreis leistet sich 2,4 Millionen Euro für dringend erforderliche Reparaturmaßnahmen an den Schulen, 0,5 Millionen Euro für Straßenunterhaltungsmaßnahmen und 0,75 Millionen Euro für den Bau eines Radweges an der Kreisstraße 211 (Sandfeld  Oldenbrok-Mittelort). Damit sind die Investitionen auch schon genannt. Um diese Maßnahmen finanzieren zu können, hat der Kreistag gestern Abend die Aufnahme eines Kredits in Höhe von 1,5 Millionen Euro beschlossen.
Kurt Winterboer, amtierender Fraktionsvorsitzender der SPD, forderte Hilfe vom Land Niedersachsen. Seine Partei stimme dem Haushalt zu, um die wenigen freiwilligen Leistungen, die der Kreis sich noch leistet, nicht zu gefährden. Dazu gehören neben den genannten Investitionen auch die Unterstützung der Wirtschaftsförderung, der Kreisvolkshochschule, der Beschäftigungsgesellschaft BEA, des Frauennotrufs und der Krebsberatungsstelle.
Mit den Stimmen der SPD und FDP hat der Kreistag den Haushalt verabschiedet. Die Oppositionsparteien CDU und Grüne stimmten dagegen  vor allem aus Protest gegen die Benachteiligung der Kommunen bei der Finanzverteilung. Bund und Land würden mit den Kommunen nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ verfahren, kritisierte Joachim Wiesensee, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Die Wesermarsch sei keine Ausnahme. Die meisten Kommunen in Niedersachsen können ihren Haushalt inzwischen nicht mehr ausgleichen. „So allmählich gehen die Lichter aus“, pflichtete ihm Jürgen Janssen, Fraktionsvorsitzender der Grünen, bei.
Um auf die Probleme der Kommunen aufmerksam zu machen, verabschiedete der Kreistag mit den Stimmen der SPD und FDP einen ergänzenden Beschluss zum Haushalt, in dem die Probleme beschrieben werden. Einem Alternativvorschlag der CDU, der Bundesregierung und Landesregierung zu konkreten Maßnahmen auffordert, versagte die Kreistagsmehrheit gestern Abend die Zustimmung. hei

Kreiszeitung Wesermarsch, 19. März 2002
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