Von
unserer Mitarbeiterin
Kerstin
Spanke
Delmenhorst.
„Sie vermitteln das Gefühl, dass Arbeitslose selbst schuld sind",
machte ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle für Erwerbslose seinem
Unmut über die CDU-Bundestagskandidatin Vera Dominke Luft. Da halfen
auch keine beschwichtigenden Worte. Für zahlreiche Besucher der DGB-Podiumsdiskussion
mit den Bundestagskandidaten von CDU, SPD, FDP, Grünen und PDS blieb
das Misstrauen gegenüber der CDU-Arbeitsmarktpolitik bestehen.
Nach
einer kurzen Vorstellungsrunde hieß es "Stellung beziehen" im bis
auf den letzten Platz gefüllten DGB-Haus. "Wie stellen sich die Parteien
vor, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen?", leitete
Uli Kelm, Kreisvorsitzender des DGB Delmenhorst, die Diskussion ein. "Stichwort
Hartz-Papier". Der PDS-Kandidat Peter Vogel machte schnell klar, das er
zwar einige Vorschläge der Hartz-Kommission "für durchaus diskussionswürdig"
halte, aber letztlich beim Slogan seiner Partei bleibe: "Hartz ohne Herz!"
Dem 58-jähirgen Journalisten geht es vielmehr darum, neue Arbeitsplätze
zu schaffen, ohne dabei die Leiharbeit auszubauen.
"Der
Mittelstand schafft am meisten Arbeitsplätze, wird aber von der jetzigen
Regierung arg gebeutelt", stellte dagegen FDP-Kandidatin Angelika Brunkhorst
heraus und nannte als Beispiel unter anderem das Gesetz zur Abschaffung
der Scheinselbstständigkeit. Den Mittelstand zu stärken hat sich
auch die CDU-Kandidatin Vera Dominke auf die Fahne geschrieben. Das Hartz-Papier
kuriere nur die Symptome, beseitige aber nicht die Ursachen von Arbeitslosigkeit.
Deshalb gelte es, "die Wirtschaft, die jetzt von der Bürokratie gehemmt
wird, in die Lage zu versetzten, Leute einzustellen". Als zweite wichtige
Säule nannte die 48-jährige Verwaltungsjuristin die "Schaffung
von Arbeitsanreizen für Arbeitslose". "Es geht nicht, dass ein Arbeitsloser
besser dasteht, wenn er nicht arbeitet, obwohl er arbeiten kann", machte
Dominke deutlich. Dieses Statement sorgte in der anschließenden offenen
Diskussion für reichlich Kontroversen. Harsche Kritik von Seiten der
Zuhörer mussten Dominke und ihre FDP-Kollegin auch für die Forderung
nach Öffnung des Betriebsverfassungsgesetzes einstecken.
Zu
einem wahren Heimspiel entwickelte sich dagegen der Abend im DGB-Haus für
SPD-Mann Holger Ortel. "Wir haben vor vier Jahren den höchsten Schuldenberg
übernommen", begann er und erntete für diese Feststellung Applaus
von Seiten der mehrheitlich vertretenen Gewerkschaftern. Mit Nachdruck
verteidigte er das Betriebsverfassungsgesetz und lobte die Ergebnisse der
Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün wie etwa das Job-AQTIV-Gesetz und
das Hartz-Papier. Ins gleiche Horn blies auch Jürgen Janssen von
Bündnis 90/Die Grünen. Zwar sei das Hartz-Papier keine Wunderwaffe,
aber das Ziel, "Arbeitslose so schnell wie möglich in den Prozess
der Vermittlung zu bringen", sei der richtige Weg, erklärte der 50-jährige
Hauptschullehrer.
Dass
neben der Arbeitsmarktpolitik auch umweltpolitische Themen den Menschen
unter den Nägeln brennen, zeigte sich ebenfalls an diesem Abend. Wie
denn die Parteien zum Ausstieg aus der Atomkraft, zur Ökosteuer und
zur Nutzung alternativer Energien stehen, fragte etwa ein Zuhörer
und richtete sich dabei besonders an die beiden Frauen der CDU und FDP.
Mutig und couragiert vertrat Dominke auch hier ihre Position, mit der sie
wiederum auf Kritik stieß. Atomausstieg ja, aber erst, wenn eine
ausreichende Belieferung durch andere Energiequellen möglich sei,
damit nicht teurer Atomstrom aus dem Ausland gekauft werden müsse.
Auch in punkto Ökosteuer konnte die CDU-Frau keine Pluspunkte in der
DGB-Runde verbuchen: Zwar könnten die bisherigen Stufen nicht zurückgeführt
werden, aber es werde bestimmt keine weitere geben, erklärt die Juristin.
Rund
zwei Stunden nahmen sich die Kandidaten Zeit, um sich und ihre Partei den
Zuhören nahe zu bringen. Vera Dominke trat Lokalmatador Holger Ortel
dabei sehr kämpferisch entgegen, während dieser sich in gewohnt
brüderlichem Ton die Sympathien der Gewerkschafter sicherte. Insgesamt
betrachtet brachte die Runde über einen parteipolitischen Schlagabtausch
hinaus allerdings nichts Neues, höchstens fiel auf, wer hier und da
noch an seiner Argumentationsstrategie arbeiten sollte.
Eine
weitere Möglichkeit, sich einen Überblick über die Auffassung
der Bundestagskandidaten zu verschaffen, besteht am Dienstag, 3. September,
um 20 Uhr in den Räumen der Volkshochschule auf dem Nordwollegelände.
Delmenhorster
Kurier, 22. August 2002
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