Ein leichtsinniger Moment -  und schon ist man Kandidat 
Der Grüne Jürgen Janssen will seiner Partei in der Region ein Gesicht geben

 Von unserem Redaktionsmitglied 
Uwe Stratmann 

Stadland. Es sei ein leichtsinniger Moment gewesen. So beschreibt Jürgen Janssen seine Bereitschaft, am 22. September für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Im Gegensatz zu den Kandidaten von SPD, CDU und FDP wird er allerdings keine Chance haben, nach Berlin umziehen zu können, denn bei Bündnis 90/Die Grünen befindet er sich auf Platz 24 der Landesliste, also weit unten.
Motivationsprobleme hat Jürgen Janssen aus diesem Grunde aber nicht. "Es ist wichtig, die Partei vor Ort mit einem Gesicht zu versehen", sagt er. Und deshalb hat sich der Rodenkircher auch ein ganz anderes Ziel gesteckt als seine Mitkonkurrenten: "Wenn ich mehr Erst- als Zweitstimmen bekomme, wäre das für mich ein großer persönlicher Erfolg."
Lange Zeit standen die Grünen im Wahlkreis 29 ohne Bundestagskandidaten da. Die Suche war eigentlich schon erfolglos beendet, als Jürgen Janssen schließlich erklärte, er sei zu einer Kandidatur bereit. Für ihn ist das Werben um Wählerstimmen dabei nicht einfach: "Ich bin der einzige Kandidat, der noch voll berufstätig ist", sagt der Lehrer an der Martin-Niemöller-Schule in Rodenkirchen. Jürgen Janssen kann also nicht von Termin zu Termin hetzten, um sich zu präsentieren.
Die politische Bühne des 50-Jährigen war bisher die Kommunalpolitik. 1986 wurde er zum ersten Mal in den Stadlander Gemeinderat gewählt. In den ersten fünf Jahren saß er in der Opposition und hatte als einziger grüner Ratsherr ohne Anschluss an eine Ratsfraktion politisch kaum Einfluss. Er konnte lediglich sein Grundmandat in einem Ausschuss seiner Wahl wahrnehmen und war nur im Gemeinderat stimmberechtigt.
In der zweiten Legislaturperiode wurde er von der SPD benötigt, damit diese mit ihm die politische Mehrheit stellen konnte. Dafür gab es für Jürgen Janssen unter anderem einen Sitz im Verwaltungsausschuss, dem wichtigsten Gremium nach dem Gemeinderat.
Diese Zusammenarbeit setzte sich nach der Kommunalwahl im Jahre 1996 fort. Jürgen Janssen wurde Vorsitzender des Finanz- und Wirtschaftsausschusses und damit Nachfolger von Udo Zempel (SPD). Bereits eine Legislaturperiode zuvor hatte er diesem Ausschuss angehört.
Anfang Mai 1998 schied er aus dem Gemeinderat aus, weil er in den Kreistag nachrückte. Damals gab es bei den Grünen noch den so genannten Unvereinbarkeitsbeschluss, der für ihn bedeutete, dass er die Ratsmitgliedschaft aufgeben musste, um in den Kreistag einziehen zu können. Inzwischen sehen die Grünen das lockerer. Und somit gehört Jürgen Janssen in der neuen Legislaturperiode sowohl dem Stadlander Gemeinderat als auch dem Kreistag an. Im Braker Kreishaus ist er Fraktionsvorsitzender der Grünen, die dort eine gemeinsame Gruppe mit der CDU eingegangen sind und die Opposition bilden. Im Gemeinderat sitzt Jürgen Janssen in der Gruppe von CDU, FDP und Grünen auf der Seite der Mehrheit.
Eines der ersten Wörter, das seine inzwischen jugendliche Tochter Swantje gesprochen habe, sei Rathaus gewesen, erinnert sich Jürgen Janssen an die Zeit als junges Gemeinderatsmitglied. Kommunalpolitik, so sagt er, sei außerordentlich wichtig, da man die Chance nutzen müsse, die Bürgerinnen und Bürger direkt einzubeziehen "und damit auch zu versuchen, die Parteiverdrossenheit abzubauen". Bundespolitik sei etwas ganz anderes. "Da muss man sich sehr viel mehr inhaltlich mit den Themen auseinandersetzen", hat Jürgen Janssen erfahren. Er findet das gut, denn "es ist sehr interessant, so viele Leute kennenzulernen".
Neben dem Kommunalpolitiker und Bundestagskandidaten gibt es auch noch einen Jürgen Janssen, der Sprecher der Bürgerinitiative Aktion Z ist, die gegen das geplante Zwischenlager beim Kernkraftwerk Unterweser und damit gegen den Kompromiss der rot-grünen Bundesregierung mit den Stromerzeugungsunternehmen kämpft. Der Atomausstieg sei zwar den Grünen zu verdanken, sagt der Rodenkircher, "aber ich bin damit so nicht einverstanden, weil es mir zu langsam geht und ich die Idee der Zwischenlager ablehne". Mit dem Ziel könne er sich identifizieren, sagt Jürgen Janssen, nicht aber mit dem vereinbarten Weg.
Dennoch: Die durch die grüne Politik eingeleitete Energiewende sei ein Erfolg und ein Arbeitsplatzmotor. Dieser Weg müsse fortgesetzt werden, verlangt Jürgen Janssen und geht mit gutem Beispiel voran: Sein Haus am Abser Deich in Rodenkirchen verfügt nicht nur über eine Regenwasser-Sammelanlage, sondern auch über ein Kraftwerk auf dem Dach: Er speist Sonnenenergie ins Stromnetz ein.


Kreiszeitung Wesermarsch, 22. August 2002
zurück