Über
Stimmenzuwachs freut sich Jürgen Janssen. Der Grüne war
ohne Hoffnung auf ein Mandat angetreten.
me/bn
Wesermarsch. Riesenfreude herrschte gestern beim alten und neuen SPD-Bundestagsabgeordneten
Holger Ortel, der den Wahlkreis souverän wie vor vier Jahren direkt
holte und nun zum zweiten Mal in den Bundestag einzieht. Die weitere Vergrößerung
des Erststimmenabstandes zeigt, so Ortel, dass die bisher geleistete Arbeit
für den Wahlkreis richtig war. „Die Bürgerinnen und Bürger
können sich darauf verlassen, dass ich diese Arbeit auch weiter machen
werde wie bisher gewohnt“, versichert der SPD-Politiker. Der Verlust bei
den Zweitstimmen war zu erwarten gewesen. Ortel stellte fest, dass sich
die Stimmenverluste im Wahlkreis und im Landkreis - entgegen dem Bundestrend
- in Grenzen hielten.
Freude
auch bei der CDU-Kandidatin Vera Dominke, die über die Landesliste
den Einzug in den Bundestag schaffte. Zu dem geringeren Erststimmenergebnis
meinte die CDU-Politikerin, dass es ihr in den vergangenen Monaten noch
nicht genügend gelungen sei, die Wähler davon zu überzeugen,
dass sie von Berlin aus stets für den Wahlkreis da sei. Auf jeden
Fall will sie "sofort die Ärmel aufkrempeln" und ihre Arbeit aufnehmen.
Bereits heute startet die Fraktionsarbeit in Berlin, kündigt sie an,
und ab Donnerstag stehen bereits erste Wahlkreistermine im Kalender. Den
Zuwachs der Zweitstimmen kommentierte sie gestern Abend so: "Es zeigt,
dass viele Menschen - aber noch nicht genügend - erkannt haben, dass
die rot/grüne Politik der vergangenen vier Jahre nicht richtig war."
Die
FDP-Politikerin Angelika Brunkhorst war bitter enttäuscht: Auf Platz
sechs der Landesliste wähnte sich die Harpstedterin bei den Wahlprognosen
sicher im Bundestag. Mit dem ungeschickten Taktieren des FDP-Bundesvize
Jürgen Möllemann wenige Tage vor der Wahl und mit den ebenfalls
unprofessionellen Reaktionen des Präsidiums habe sich die Partei als
zerstritten dargestellt. "Das kostete sicher geglaubte Stimmen", kommentierte
sie das Abschneiden. "8,5 Prozent war das untere Limit", sagte Brunkhorst,
die trotz guter Zuwächse in den heimischen Wahllokalen wieder einmal
wohl knapp scheiterte. Jetzt müssten die Wahlkampfstrapazen und das
Ergebnis verkraftet werden. Aber die politische Arbeit vor Ort werde darunter
nicht leiden.
Sehr
zufrieden mit seinem und auch dem Ergebnis der Grünen im Wahlkreis
ist deren Kandidat Jürgen Janssen (Rodenkirchen). Er freut
sich über den Stimmenzuwachs seiner Partei um 1,9 auf 7 Prozent, womit
man im Bundestrend liege, aber auch über sein Abschneiden, denn bei
den Erststimmen habe er mit 5,6 Prozent gegenüber seinem Vorgänger
(4,6 Prozent) zulegen können. Dies sei ein gutes Ergebnis, denn aufgrund
seiner beruflichen Tätigkeit - Jürgen Janssen ist Lehrer
- habe er während des Wahlkampfes im Landkreis Oldenburg und in der
Stadt Delmenhorst kaum präsent sein können. Aus bundespolitischer
Sicht freut sich Janssen darüber, dass die Grünen ihr
Wahlziel (8 Prozent + X) erreicht und, was ihn mit großer Freude
erfülle, die FDP hinter sich gelassen haben.
Als
enttäuschend wertete der PDS-Kandidat Heinz-Jürgen Vogel (Delmenhorst)
sowohl das Abschneiden seiner Partei bundesweit wie auch im Wahlkreis.
In den nächsten Tagen gelte es, landesweit die Gründe zu analysieren.
Allein am Rücktritt der Gallionsfigur Gregor Gysi könne es nicht
gelegen haben. Er sei angetreten, um politische Normalität zu dokumentieren,
zu der auch eine sozialistische Partei gehöre. "Die PDS muss im Westen
viel mehr Flagge zeigen", ist Vogel sicher, denn, historisch bedingt, werde
sie immer noch als Ost-Partei gewertet. Stimmeneinbrüche wie in Mecklenburg-Vorpommern
könnten vom Westen bisher nicht aufgefangen werden. Grund zur Resignation
sieht Vogel nicht. Jetzt heiße es erst recht, die Ärmel aufzukrempeln.
Nordwest-Zeitung,
23. September 2002
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